Waldbesitzer Alexander Mayr versteht nicht, warum bayerische Waldbesitzer mit noch mehr Bürokratie gegängelt werden.
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Waldbesitzer Alexander Mayr versteht nicht, warum bayerische Waldbesitzer mit noch mehr Bürokratie gegängelt werden.

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EU-Richtlinie gegen Kahlschlag: Bürokratiemonster im Wald?

Soja, Kaffee oder Holz - das sind wichtige Rohstoffe auch für den europäischen Markt. Die EU will mit einer Vorgabe verhindern, dass Wälder für die Produkte kahlgeschlagen oder geschädigt werden. Diese Verordnung aber sorgt für große Diskussionen.

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Waldbesitzer Alexander Mayr aus Holzkirchen macht sich große Sorgen. Er ist Vorstand der örtlichen Waldbesitzervereinigung und weiß nicht, wie die Waldbesitzer die EU-Entwaldungsverordnung in der Praxis umsetzen sollen.

In Zukunft müssten sie z.B. den Einschlagsort der Bäume mit Geo-Daten, die Holzart mit lateinischem Namen und eine Sorgfaltserklärung abgeben, dass das Holz entwaldungsfrei geerntet wurde. Dann erhalten sie von der EU eine sogenannte Referenznummer. Nur damit darf das Holz weiterverkauft werden.

Waldbesitzer kritisieren Bürokratiemonster

Bayerische Waldbesitzer fürchten durch die Richtlinie einen enormen Aufwand. Doch Details der Regelung sind noch unklar. Das Ziel jedoch hat die EU formuliert: Durch landwirtschaftliche Produkte wie Soja, Kaffee oder Holz sollen keine Wälder geschädigt oder kahl geschlagen werden. Denn Waldgebiete sind wichtig: als CO2-Speicher in Zeiten des Klimawandels und als Flächen für Biodiversität.

Doch Waldbesitzer wie Alexander Mayr befürchten, dass mit dieser Verordnung ein Bürokratiemonster geschaffen wird. Seine Sorge: Dass viele Waldbesitzer, vor allem Privatwaldbesitzer mit kleinen Flächen, die Bewirtschaftung aufgrund der vielen Auflagen einstellen - mit fatalen Folgen. Bei einem Borkenkäferbefall sei keine Zeit, um auf Referenznummern zu warten. Zudem sei gerade der Privatwald ein wichtiger Lieferant für regionale Schreiner oder Zimmerer.

Notwendigkeit in Deutschland?

Eine Regelung gegen Kahlschläge - das mag in anderen Gegenden der Welt sinnvoll sein, in Deutschland oder Bayern sei das aber unnötig, so lautet eines der Argumente gegen das Gesetz. Waldbesitzer Mayrs Antwort ist eindeutig: Man habe in Deutschland bereits sehr gute nationale Regelungen. Das bayerische Waldgesetz verbiete unerlaubte Rodungen und alle Hölzer seien eigentlich zertifiziert, sonst dürften sie gar nicht in den Handel.

In den bayerischen Wäldern werde bereits viel für den Waldumbau getan, z.B. klimastabile Baumarten gepflanzt und durchforstet, um den Wald für die Zukunft fit zu machen. Engagierte Waldbesitzer werden seiner Meinung nach mit dieser Regelung bestraft. Ihn stört, dass man bei der Verordnung Regenwälder und die deutsche nachhaltige Forstwirtschaft in einen Topf werfe.

Schwierige Umsetzung im Sägewerk

Aber nicht nur Waldbesitzer haben großen Sorgen wegen der Bürokratie, die die neue Regelung mit sich bringt, sondern auch Sägewerksbesitzer. Marinus Obermaier ist Geschäftsführer in einem regionalen Sägewerk am Irschenberg in Oberbayern. Hier werden die Baumstämme geschnitten und verarbeitet. Die Referenznummer müssten sie durch die Produktionskette mitführen und an die Kunden weitergeben, damit das Holz rückverfolgbar bleibt. Doch sobald der Stamm geschnitten werde und die Bretter dann je nach Sortierung auf Stapel gerichtet werden, sei es unmöglich, das später noch nachzuvollziehen, so Obermaier.

Das Sägewerk produziert z.B. Dachstühle für Zimmerer. Bei jedem Balken müsste dann klar sein, in welchem Wald er gewachsen ist. Am Holz könne er keine Referenznummer befestigen, sobald das Holz gekappt oder gehobelt werde, sei die Markierung weg. Seiner Meinung nach könne man das nur EDV-technisch lösen. Er wisse aber aktuell nicht, wie sie das im Betrieb umsetzen sollen.

Klare Richtlinien fehlen

Im Sägewerk Binder in Kösching hat der Aufwand nochmal eine andere Dimension. Hier wird an einem Tag so viel Holz eingeschnitten wie beim Sägewerk Obermaier im ganzen Jahr. Es sei nicht mehr möglich, die Verordnung bis Jahresende umzusetzen, erklärt Christof Richter von Binderholz. Es gebe nach wie vor keine klaren Richtlinien von Europa, wie die Verordnung umzusetzen sei. In der Branche habe es bereits Testläufe geben, die gescheitert sind. Ihm fehlen aktuell schlicht die Informationen, um die Verordnung umzusetzen. Er wisse noch gar nicht, wie und welche Zahlen er vom Forst erhalte.

Das Unternehmen Binderholz fürchtet große Einschränkungen durch die Verordnung, so Rundholz-Einkäufer Georg Fuchs. Denn immer wenn sie in Zukunft Holz kaufen, dann müsse die EU-Referenznummer vom Waldbesitzer mitgeliefert werden. Wenn die aber nicht da sei, dann dürfe er das Holz nicht kaufen: "Wir befürchten, dass Warenströme unterbrochen werden."

WWF plädiert für Transparenz

Viele Sorgen und Bedenken also bei Waldbesitzern und Sägewerken. Naturschützer sehen in der Verordnung aber eine Chance. Die internationale Naturschutzorganisation WWF kann die Kritik nicht nachvollziehen. Entwaldung sei die zweitgrößte CO2-Quelle. Was man von anderen Ländern der Welt verlange, müsse man auch selber umsetzen. Es sei nicht so, dass in der EU alles gut läuft und die Probleme nur woanders bestehen, betont Experte Johannes Zahnen. Auch in Osteuropa gebe es illegalen Holzeinschlag.

Zudem sei die Übernutzung von Wäldern ein zunehmendes Problem europaweit: "Es gibt Länder in Europa, die inzwischen ihre Wälder so stark übernutzt haben, dass sie zur CO2-Quelle geworden sind." Deswegen mache es Sinn, dass diese Verordnung sowohl für europäische Wälder als auch für Importholz gelte.

Er könne zwar verstehen, dass es jetzt für einige Händler erstmal mehr Aufwand bedeute, aber es sei enorm wichtig, endlich für Transparenz zu sorgen, damit man in der EU nicht unwissentlich durch den Konsum zur Waldschädigung beitrage.

Große Unsicherheit in der Praxis

Laut WWF kursieren viele Falschinformationen - GPS-Daten müssten nicht für jeden einzelnen Baum erhoben werden. Wie die Umsetzung in der Praxis wirklich ablaufen soll, darüber herrscht aber auch laut Bayerischem Forstministerium noch große Unsicherheit und Interpretationsspielraum.

Die Verbände der Waldbesitzer, der Bayerische Bauernverband und Bayerns Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) fordern die EU mit einer Charta zu einem sofortigen Kurswechsel in der Umweltpolitik auf – die Verordnung soll verschoben werden und Länder, in denen kein Entwaldungsrisiko besteht, ausgenommen werden.

Ein Baum im Wald.
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Die EU will mit einer Vorgabe verhindern, dass Wälder für die Produkte kahlgeschlagen oder geschädigt werden.

Dieser Artikel ist erstmals am 26. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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