Essensabfälle sind in verschiedenen Behälter gefüllt und werden gewogen.
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Früher blieb in der Küche der Seniorenresidenz Neufriedenheim viel mehr übrig.

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Wie eine Seniorenresidenz gegen Lebensmittelverschwendung kämpft

Die EU will, dass weniger Lebensmittel im Müll landen, und hat entsprechende Zielvorgaben bis 2030 gemacht. Wie die in der Praxis erreicht werden, wird den Mitgliedsstaaten überlassen. Deutschland setzt auf Freiwilligkeit. Ein Beispiel aus München.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Gegen 13.30 Uhr in der Küche der Augustinum Seniorenresidenz Neufriedenheim in München: Küchenchef Philip Scherer sortiert die vom Mittagessen übriggeblieben Lebensmittel. Grüner Salat wird weggeworfen, Dressing kann aufbewahrt werden, die Tomaten vom Salatbuffet packt er in eine Brühe.

Obwohl er es schafft, viel weiterzuverwenden, wirft er einen Teil der Lebensmittel weg. "Das tut immer weh. Nicht nur das Lebensmittel an sich, allein die Arbeitszeit, die Planung", sagt Scherer, während er verschiedene Reste in einen Plastikbehälter zusammenkippt, auf dem "Überproduktion" steht.

Am Ende sind es heute etwa zehn Kilogramm an Überproduktion, hinzu kommen noch mal etwa drei Kilo Reste vom Salatbuffet. Laut Scherer haben sie es in der Küche aber bereits geschafft, ihren Lebensmittelmüll in etwa zu halbieren.

Lebensmittelverschwendung bedeutet auch unnötige Treibhausgase

Pro Jahr landen in Bayern laut dem bayerischen Landwirtschaftsministerium etwa eine Million Tonnen Lebensmittel im Müll. Die EU will Lebensmittelverschwendung verringern und deshalb die Reduktionsziele verschärfen. Denn Lebensmittel im Müll sind nicht nur ethisch fragwürdig - laut EU-Parlament sind sie sogar für 16 Prozent der gesamten Treibhausgase des EU-Lebensmittelsystems verantwortlich.

Der Vorschlag des Parlaments: 40 Prozent (bisher: 30 Prozent) weniger Lebensmittelverschwendung bei Handel, Gastronomie und in Privathaushalten. Und: 20 Prozent (bisher: 10 Prozent) weniger Lebensmittelmüll bei Verarbeitung und Herstellung. Wie genau die Mitgliedsstaaten weniger Lebensmittel verschwenden, überlässt die EU ihnen selbst. Jedes Jahr müssen die EU-Staaten hochrechnen und berichten, ob sie auch Fortschritte machen.

Um die Ziele zu erreichen, gibt es in Deutschland bisher keine Gesetzesvorgaben. Anders als beispielsweise in Frankreich, wo große Supermärkte keine Lebensmittel wegschmeißen dürfen, sondern spenden müssen.

Stattdessen setzt Deutschland auf freiwillige Initiativen - wie "United Against Waste", ein Verein, der im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums Großküchen dabei unterstützt, effizienter mit Lebensmitteln umzugehen.

Effizienter werden durch Wiegen

So hat es auch in der Küche von Philip Scherer geklappt, weniger Lebensmittel wegzuwerfen. Seit mehr als drei Jahren wiegt er regelmäßig, in welchem Bereich wie viel Müll anfällt.

"Speiseabfall entsteht im Lager, Speiseabfall entsteht bei der Produktion, wir produzieren hier und da einfach zu viel, und es kommen gewisse Dinge vom Gast zurück, der Tellerrücklauf", sagt Torsten von Borstel, Geschäftsführer von "United Against Waste". Das Konzept des Vereins: Lebensmittelabfall messen, und zwar genau nach Bereichen. Denn um Sachen optimieren zu können, ist es wichtig zu wissen, wo es überhaupt hakt.

Das sind Torsten von Borstels Kernfragen: Produziere ich immer mehr Portionen, als ich brauche? Dann sollte ich meine Planung überdenken. Oder kommt vor allem viel von den Gästetellern zurück? Dann sind vielleicht die Portionen zu groß. Wenn viel im Lager kaputtgeht, funktioniert die Einkaufsplanung nicht so gut. Von Borstel schätzt, dass bei Großküchen ein Potenzial von etwa 30 Prozent Reduktion besteht.

In der Seniorenresidenz Neufriedenheim haben sie die Portionsgrößen verkleinert. Hungrige Gäste bekommen einen Nachschlag am Platz - die zusätzliche Interaktion freut die Senioren auch. Außerdem wärmt das Küchenteam die einzelnen Komponenten in viel kleineren Portionen als früher nach und nach auf. Am wichtigsten sei die Planung, sagt Küchenchef Scherer. In seinem Warenwirtschaftssystem ist mittlerweile auch eine Künstliche Intelligenz integriert. Denn so eine Menüplanung ist komplex: Beispielsweise essen bei gutem Wetter mehr Senioren auswärts, bei einer Grippewelle meiden manche den Speisesaal.

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