Carlo Masala, Militärexperte, im Interview mit dem BR
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Carlo Masala, Militärexperte

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Masala: "Iran hat nicht sein schweres Potenzial eingesetzt"

Die nächste Eskalationsstufe ist erreicht: Der Iran hat Israel angegriffen. Die Schäden halten sich aber offenbar in Grenzen. Der Militärexperte Carlo Masala erklärt im BR-interview, warum der Iran nicht entschiedener zugeschlagen hat.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der Iran hat in der Nacht auf Sonntag rund 300 Raketen und Drohnen auf Israel abgefeuert – als "Vergeltung" für den Israel zugeschriebenen Angriff auf das Botschaftsgelände des Iran im syrischen Damaskus. Keine der 170 Drohnen und keiner der 30 Marschflugkörper habe israelisches Gebiet erreicht, sagte ein israelischer Armeesprecher am Sonntagmorgen. Nur "wenige" der 110 ballistischen Raketen seien bis nach Israel durchgedrungen, eine habe den Luftwaffenstützpunkt Nevatim im Süden des Landes "leicht" getroffen.

Iran sieht "Angelegenheit als abgeschlossen an"

Die iranische Armee erklärte hingegen, sie habe alle ihre Ziele durch den Angriff erreicht. Die beiden Hauptziele – ein Geheimdienstzentrum und die Militärbasis Nevatim – die mit dem Israel zugeschriebenen Angriff auf das iranische Konsulatsgebäude im syrischen Damaskus in Verbindung stünden, seien "beträchtlich beschädigt und außer Betrieb gesetzt worden", sagte Armeechef Mohammed Bagheri im Fernsehen.

Irans Präsident Ebrahim Raisi warnte die israelische Seite vor einem Gegenschlag. Falls Israel sich "unbesonnen" verhalte, werde es eine "entschiedene und sehr viel stärkere Antwort" aus dem Iran geben, erklärte er. Auch die iranische UN-Vertretung erklärte, der Iran hoffe, dass es keine weitere Eskalation von israelischer Seite gebe, dann könne "die Angelegenheit als abgeschlossen angesehen" werden.

Masala: Iran hat kein Recht, Israel anzugreifen

Der Militärexperte Carlo Masala geht davon aus, dass die Zerstörung des iranischen Konsulargebäudes in Damaskus vor zwei Wochen mit israelischen Präzisionswaffen durchgeführt wurde – die Reaktion Irans sei aber nicht mit dem Völkerrecht vereinbar. "Der Iran beruft sich auf Vergeltungsschläge und tut so, als ob das völkerrechtlich legitim sei. Im Völkerrecht gibt's keine Vergeltungsschläge, es gibt nur Selbstverteidigung. Und der Iran wurde nicht angegriffen und hat damit auch kein Recht, Israel anzugreifen", sagte Masala, Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, beim Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen. Beim Angriff in Damaskus waren Anfang April 16 Menschen getötet worden, darunter zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden.

Militärexperte sieht Angriff mit angezogener Handbremse

Die Schäden, die der Angriff in Israel verursacht hat, sind offenbar überschaubar. Hätte der Iran auch stärker zuschlagen können – handelte es sich bei dem Angriff in der Nacht um einen Alibi-Angriff, um das Gesicht wahren zu können? "Der Iran hat nicht sein schweres Potenzial eingesetzt, das er durchaus hat, um massiven Schaden in Israel beizuführen", sagt Masala im Interview mit BR24. Symbolisch sei der Angriff angesichts der Vielzahl von Drohnen und Raketen nicht gewesen. Der Angriff sei aber so konzipiert gewesen, dass der Schaden in Israel "minimal" gewesen wäre.

"Natürlich wollte der Iran etwas treffen [...] aber es ist nicht so, dass dieser Angriff so durchgeführt worden ist, dass es den Iranern klar war, dass im Prinzip keine einzige Drohne, keine einzige Rakete irgendein Ziel erreicht." Doch nicht nur deshalb hält Masala den Angriff des Iran für einen Fehlschlag, sondern auch, weil Israel auch von anderer Seite geschützt worden sei: von Saudi-Arabien und Jordanien. "Also arabische Staaten haben sozusagen dabei geholfen, dass Israel nicht angegriffen werden kann", so Masala.

Video: Masala beim Sonntags-Stammtisch

Das war jetzt kein Erfolg des Irans, was wir gestern Nacht gesehen haben, meint Militärexperte Carlo Masala beim Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen.
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Militärexperte Carlo Masala

Iran hat offenbar Angst vor möglicher Reaktion der USA

Der Iran hatte nach dem Angriff verkünden lassen, keine weiteren Angriffe auf Israel zu planen – sofern es von Seiten Israels zu keinen weiteren Angriffen käme. Außerdem sollen sich die USA aus dem Konflikt heraushalten. "Die Iraner haben durchaus Angst, dass die Amerikaner aktiv in dem Konflikt gegen den Iran vorgehen könnten", sagt Masala. Der Iran sei sich seiner eigenen Schwäche bewusst, einen massiven Gegenschlag seitens Israels und der USA mit schwersten Verlusten würde das Regime wohl nicht überleben.

US-Präsident Joe Biden hatte in der Nacht erklärt, dass er in seinem Telefonat mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch einmal die unerschütterliche Unterstützung Amerikas für die Sicherheit Israels bekräftigt habe. Die Staats- und Regierungschefs der G7 sprechen am Sonntag über eine gemeinsame diplomatische Reaktion auf den iranischen Angriff. Darüber hinaus hängt nun alles davon ab, wie Israel reagiert.

"Entweder Israel regiert überhaupt nicht, dann zeigt es aber Schwäche in den Augen seiner Gegner oder aber es reagiert und die Frage ist, wie es reagiert." Masala rechnet damit, dass die Vereinigten Staaten und andere Verbündete Israels auf Israel einwirken werden, keine direkten Gegenschläge gegen den Iran vorzunehmen. "Aber ich rechne durchaus damit, dass es klandestine Operationen gegen iranische Einrichtungen und möglicherweise iranische Personen geben wird, die auch auf iranischem Boden stattfinden."

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