Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, bei einem Pressetermin zur Fertigstellung einer Wind-zu-Wärme-Anlage (Power-to-Heat-Anlage) auf dem Gelände des Heizkraftwerks Wedel.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Christian Charisius

Grünen-Minister Habeck plant mit der CCS-Technik, klimaschädliche Emissionen unter die Erde zu verbannen.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

CO₂ unterirdisch speichern: Hoffnung für mehr Klimaschutz?

Deutschland will neue Pfade beim Klimaschutz gehen. Grünen-Minister Habeck plant mit der CCS-Technik, klimaschädliche Emissionen unter die Erde zu verbannen. Kritiker sprechen von einer Scheinlösung und haben ökologische Bedenken.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es gibt Industriebereiche, bei denen sich Emissionen nur schwer oder gar nicht vermeiden lassen: wenn zum Beispiel Zement oder Kalk hergestellt oder Abfälle verbrannt werden. In diesen Fällen entsteht klimaschädliches CO₂. Doch wie lassen sich diese Emissionen mit den Klimazielen vereinbaren?

CO₂ soll unterirdisch gespeichert werden

Sogenannte CCS-Verfahren sollen nach den Plänen von Klimaschutzminister Robert Habeck eine Lösung sein. CCS steht für "Carbon Dioxide Capture and Storage". Gemeint ist, dass CO₂ etwa bei der Herstellung von Zement direkt vor Ort eingefangen und unterirdisch gespeichert wird.

Seit Jahren wird an dieser Technologie geforscht und bisher ist sie in Deutschland nur zu Forschungszwecken erlaubt. Grünen-Politiker Habeck will das ändern, legt Eckpunkte und einen Gesetzentwurf vor, um CCS-Verfahren hierzulande zu ermöglichen.

Neues Verfahren – aber nur auf hoher See

Allerdings: CO₂ soll in Deutschland nur auf hoher See unterirdisch gespeichert werden. In Meeresschutzgebieten und an Land soll es verboten bleiben, Emissionen unter der Erde zu verpressen. Sollten die Bundesländer unterirdische Speicherstätten auch an Land einfordern, sei er offen, darüber zu sprechen, sagt Habeck.

Der Klimaschutzminister will zudem eine weitere technische Möglichkeit nutzen: Nicht nur bei Industrieprozessen vor Ort, sondern auch aus der Atmosphäre könne CO₂ entzogen und gespeichert werden. Dafür sei ebenfalls ein Eckpunktepapier verabschiedet worden, um eine Strategie zu entwickeln, so Habeck.

Habeck: Technik sei reif und sicher

Er könne sich gut erinnern, sagt der Grünen-Minister, wie in den 2000er Jahren vor allem negativ über CCS diskutiert wurde. Seitdem sei viel passiert. "Die Technik ist an vielen Stellen weiterentwickelt worden und aus meiner Sicht ist sie reif und sicher. Das CO₂ bleibt in der Erde", so Habeck. Es gebe ansonsten bisher keine technische Lösung, um etwa die Zementproduktion CO₂-neutral zu gestalten. Zudem sei "die Zeit abgelaufen", man schreite darauf zu, die Klimaziele nicht zu erreichen. Auch andere Länder in Europa planen, die neue Technologie einzusetzen.

Forscher unterstützen Habecks Pläne

Unterstützung bekommt der Klimaschutzminister von den Experten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Um Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, brauche es die CCS-Technologie, erklärt Institutsdirektor Ottmar Edenhofer. Wichtig seien auch Verfahren, bei denen man das CO₂ aus der Atmosphäre entzieht, aber nicht unterirdisch speichert, sondern für andere Bereiche und Produkte nutzt.

Ansonsten würden wir die ambitionierten Klimaschutzziele nicht erreichen, ist sich der Wissenschaftler sicher. Edenhofer: "Es ist gut, dass Deutschland jetzt diesen Schritt geht."

Kritik an CCS-Verfahren

Das sehen nicht alle so. Umwelt- und Klimaschutzorganisationen sind geteilter Meinung. Der Naturschutzbund NABU und die Umweltschutzorganisation WWF zeigten sich zuletzt grundsätzlich offen für die Pläne der Bundesregierung.

Scharfe Kritik kommt dagegen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Greenpeace und der Deutschen Umwelthilfe. Die Kritiker bezeichnen die unterirdische Speicherung von CO₂ als Scheinlösung, die den Ausstieg aus fossilen Energien verhindere.

Rückschritt statt Fortschritt?

Das Klimaschutz- und Wirtschaftsministerium habe "die Büchse der Pandora geöffnet" und setze damit die Abkehr von fossilen Energien aufs Spiel, sagt der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Und der Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid kritisiert: "Diese Strategie erlaubt der Industrie ein 'Weiter so' und bremst dringend notwendige drastische Maßnahmen zur Emissionsvermeidung aus." Selbst Industrien, für die es längst klimaschonende Lösungen gebe, könnten nach Habecks Plänen "weitermachen wie bisher".

Das Umweltbundesamt warnt vor dem hohen Energieaufwand, um das CO₂ abzuscheiden, zu transportieren und zu speichern. Der Weltklimarat meldet ökologische Bedenken beim Einsatz von CCS-Verfahren an.

Bundestag soll bald über Gesetz abstimmen

Habeck hofft trotz der Kritik darauf, dass seine Pläne zeitnah im Bundestag beschlossen werden. "Wir sind nicht mehr in einer Welt, in der wir die Rosinen picken können", mahnt er und setzt auf die neue Technik, um mehr gegen die Erderwärmung zu tun. "Ich weiß, dass das ein schwieriges Gesetz ist." In der Vergangenheit sei das Thema nur mit spitzen Fingern, wenn überhaupt, angefasst worden.

Im Video: CO₂ unterirdisch speichern: Habecks Hoffnung für mehr Klimaschutz

CO2 abscheiden und unterirdisch speichern: Das ist der Kern der sogenannten CCS-Technologie.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

CO2 abscheiden und unterirdisch speichern: Das ist der Kern der sogenannten CCS-Technologie.

Im Video: Interview mit BR-Klimaschutz-Experte Simon Plentinger

Interview mit BR-Klimaschutz-Experte Simon Plentinger
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Interview mit BR-Klimaschutz-Experte Simon Plentinger

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!