Gabriel Attal, Premierminister von Frankreich, spricht während des Kongresses beider Kammern des Parlaments im Schloss von Versailles.
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Frankreich gibt Recht auf Abtreibung Verfassungsrang

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Frankreich gibt Recht auf Abtreibung Verfassungsrang

In Frankreich gibt es künftig eine verfassungsrechtlich verbriefte "Freiheit zum Schwangerschaftsabbruch". Nationalversammlung und Senat stimmten mit großer Mehrheit für die Gesetzesvorlage. Frankreich ist das erste Land mit einer solchen Regelung.

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Beide Parlamentskammern in Frankreich haben in einer gemeinsamen Sitzung ein Gesetz gebilligt, das das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankert. Die Vorlage wurde mit 780 zu 72 Stimmen angenommen, anschließend erhoben sich fast alle anwesenden Abgeordneten und Senatoren und applaudierten im Stehen, viele Parlamentarierinnen lächelten. Für die Annahme des Gesetzes war eine Drei-Fünftel-Mehrheit nötig.

Beide Parlamentskammern, die Nationalversammlung und der Senat, hatten die Vorlage bereits einzeln gebilligt. In Artikel 34 der Verfassung wird damit "die garantierte Freiheit der Frauen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen", festgelegt.

Premierminister: "Vorreiter in Sachen Frauenrechte"

Vor der Abstimmung wandte sich Premierminister Gabriel Attal an die in Versailles zusammengetretene Versammlung und rief die Anwesenden auf, Frankreich zu einem Vorreiter in Sachen Frauenrechte zu machen und Ländern weltweit ein Vorbild für die Verteidigung von Frauenrechten zu geben. "Wir haben eine moralische Verpflichtung gegenüber Frauen", sagte Attal und verwies auf die frühere Gesundheitsministerin Simone Veil, die sich bereits in den 70er Jahren letztlich erfolgreich für eine Entkriminalisierung von Abtreibungen einsetzte. "Machen Sie Simone Veil stolz", sagte Attal.

Verweis auf Länder, in denen Abtreibungsrecht eingeschränkt wurde

Abtreibungen sind in Frankreich seit 1975 legal. Der Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein ist bis zur 14. Woche gesetzlich möglich. Im vergangenen Jahr wurden in Frankreich gut 234.000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Keine der großen Parteien im Parlament stellt das Recht auf Abtreibung infrage. Dennoch strebte die Regierung von Präsident Emmanuel Macron die Verfassungsänderung an. Die Entscheidung solle "ein Beispiel geben", sagte die Vorsitzende der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet. Sie verwies auf die USA, wo das Oberste Gericht über das Recht auf Abtreibung entscheidet und 2022 ein rund 50 Jahre altes Urteil aufhob, das Frauen grundsätzlich eine Abtreibung erlaubte. Dies sei kein Einzelfall, hieß es in der Begründung für die Verfassungsänderung in Frankreich.

"In vielen Ländern, auch in Europa, gibt es Meinungsströmungen, die die Freiheit der Frauen, ihre Schwangerschaft auf Wunsch abzubrechen, um jeden Preis verhindern wollen." So hatte das polnische Verfassungsgericht das Abtreibungsrecht so verschärft, dass Frauen auch bei schweren Schädigungen des Fötus die Schwangerschaft nicht abbrechen dürfen.

Das Recht auf Abtreibung trifft in der französischen Öffentlichkeit über fast alle politischen Lager hinweg auf breite Unterstützung. In einer jüngsten Umfrage äußerten sich mehr als 80 Prozent der Befragten zustimmend, ähnlich wie in früheren Umfragen.

Mit Informationen von AP, KNA, AFP

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