Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, heute im Bundestag
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Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, heute im Bundestag

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Klimaschutzgesetz: Auch SPD und Grüne wollen Nachbesserungen

Der Bundestag hat über die Reform des Klimaschutzgesetzes beraten. Die ist umstritten, Kritiker warnen vor einer Aufweichung der Klimaziele. Bedenken gibt es auch in der Ampel-Koalition, deren Spitzenvertreter in der Debatte wenig Eifer zeigten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Bundestag hat in erster Lesung über Pläne der Bundesregierung zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes beraten, die vorab von Opposition und Umweltverbänden hart kritisiert wurden. Dabei zeigte sich, dass die Unterstützung für die Reformpläne in der Regierungskoalition keineswegs einhellig ist.

Deutschland hat Probleme mit den Zielwerten

Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz wurden im Jahr 2019 die deutschen Klimaschutzziele festgeschrieben. Bis 2030 will Deutschland 65 Prozent an Treibhausgasen weniger ausstoßen als 1990. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden bis 2030 zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt. Wenn Sektoren diese Zielvorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien in Form von Sofortprogrammen nachsteuern.

Im vergangenen Jahr überschritten die Sektoren Gebäude und Verkehr die Zielwerte. Die Regierung legte daraufhin ein generelles Klimaschutzprogramm vor, um die "Klimalücke" beim Einsparen von Treibhausgasen zu verkleinern – und sah damit die Pflicht zum Nachsteuern im Verkehr und bei Gebäuden als erfüllt an. Dies wurde nicht zuletzt als Zugeständnis an die FDP angesehen, deren Verkehrsminister Volker Wissing trotz verfehlter Ziele für den Verkehrssektor kein hinreichendes Sofortprogramm vorgelegt hatte.

Regierung will Sektor-Vorgaben abschaffen

Mit dem neuen Gesetzentwurf der Ampel-Koalition sollen die Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen Sektoren nun definitiv abgeschafft werden. Stattdessen soll maßgebend sein, dass Deutschland seinen Treibhausgasausstoß insgesamt reduziert, Zielverfehlungen in einzelnen Bereichen sollen also mit Fortschritten in anderen verrechnet werden. Die Einhaltung der Klimaziele soll nicht mehr Jahr für Jahr für die verschiedenen Sektoren kontrolliert werden – sondern sektorübergreifend und über Prognosen auf mehrere Jahre in die Zukunft gerichtet.

Die Bundesregierung als Ganzes soll also künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die laut Klimaschutzgesetz zulässige CO₂-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll – aber erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.

SPD und Grüne gehen auf Distanz zum Gesetzentwurf

In der Debatte zur ersten Lesung des Gesetzentwurfes erklärte die CSU-Abgeordnete Anja Weisgerber für die Opposition, die Ampel wolle sich mit dem Gesetzentwurf die Mühe ersparen, bei einer Zielverfehlung einzelner Sektoren künftig noch Sofortprogramme vorzulegen. "Mit ihrer Gesetzesänderung entkernen sie das Klimaschutzgesetz", sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Gebhardt an die Bundesregierung gerichtet: "Sie machen es unverbindlicher, sie weichen es auf."

Die Redebeiträge aus den Ampel-Fraktionen machten deutlich, dass auch die Fraktionen von Grünen und SPD noch einigen Gesprächsbedarf sehen, Vertreter beider Parteien forderten Nachbesserungen und machten klar, dass der Entwurf nicht in seiner jetzigen Form Gesetz werden dürfe. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte, wenn Ziele verfehlt werden, müsse es "einen Automatismus geben, der uns garantiert, dass die Ziele eingehalten werden". Es sei nicht haltbar, dass Ziele gerissen werden und nichts passiere. Dieser Missstand müsse beseitigt werden.

Dies sei "die Aufgabe der parlamentarischen Beratungen", erklärte auch Lisa Badum, Obfrau der Grünen im Klima- und Energieausschuss. Es gebe noch etliche offene Fragen. So dürfe es nicht sein, dass Sektoren die Last anderer Sektoren mittragen müssten und es sei ein gravierender Schritt, dass der bisherige Mechanismus, nach dem die einzelnen Sektoren CO₂-Einsparungen liefern müssen, verändert werden solle. Zudem stelle sich die Frage, wer am Ende Verantwortung trage. Das sei eines der Probleme, die in der Beratung aufgegriffen werden müssten.

Nur die FDP verteidigt die Reform, Habeck schweigt

Der FDP-Politiker Olaf in der Beek verteidigte hingegen den Regierungsentwurf. Das neue Gesetz sorge dafür, dass Klimaschutz langfristiger und damit effizienter gestaltet werden könne, sagte er. Dass sich damit nur die Freidemokraten hinter die Reform stellten, fiel ebenso auf, wie der Umstand, dass kein Mitglied der Bundesregierung zur der geplanten Gesetzesänderung Stellung nahm, wie es sonst oft üblich ist. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verfolgte die Debatte auf der Regierungsbank im Parlament.

Der Ampel stehen harte Diskussionen bevor

Die Debatte betätigte damit, dass den Ampel-Fraktionen noch schwierige Verhandlungen über die umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes bevorstehen dürften. Vor allem die FDP drängte bereits während der Koalitionsverhandlungen 2021 auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Die Grünen setzten im Gegenzug durch, dass der Kohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorgezogen werden soll.

Die FDP stellt mit Volker Wissing den Verkehrsminister, der Verkehr ist eines der Klima-Sorgenkinder. Die Ressorts, in deren Zuständigkeit Klimaziele verfehlt werden, hätten weiter eine "politische Verantwortung", sagte dazu Klimaschutzminister Robert Habeck im Juni bei der Vorlage der Pläne. Das bisherige Gesetz sehe auf dem Papier gut aus, habe in der Realität aber zu wenig bewirkt, sagte Habeck: "Keine Sau hat sich daran gehalten."

Umweltverbände: Abschwächung des Klimaschutzes droht

Die Reformpläne finden bei Opposition und Umweltverbänden dennoch keine Zustimmung. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Jung (CDU), erklärte vor der heutigen Parlamentsdebatte, die Bundesregierung verstoße "seit letztem Jahr gegen das Klimaschutzgesetz" und anstatt es endlich einzuhalten, werde es "jetzt geschliffen". Das Vorhaben sei der "klimapolitische Offenbarungseid der Ampel".

Ein Bündnis von Umweltorganisationen ging mit der geplanten Reform ebenfalls hart ins Gericht und warnte vor einer Verwässerung der Ziele im Kampf gegen die Erderwärmung. Die Bundesregierung wolle "die verbindlichen Sektorziele abschaffen und damit handlungsunwillige Minister von der Pflicht zur Nachsteuerung entlassen", erklärte die Klima-Allianz aus mehr als 150 Organisationen.

Die geplante Streichung der Sektorziele sei eine "Abschwächung des zentralen und wegweisenden klimapolitischen Rahmengesetzes in Deutschland". Die Bundesregierung kaufe damit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) davon frei, "seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten". Dies geschehe "auf Kosten kommender Generationen und all jener, die schon heute unter der Klimakrise leiden". Die Klimaschützer forderten den Bundestag auf, stattdessen das Gesetz so nachzuschärfen, dass künftige Regierungen die Klimaziele tatsächlich einhalten.

Mit Informationen von AFP, dpa und epd

Im Video: Viel Kritik am Entwurf zum Klimaschutzgesetz

Nur das Gesamtergebnis zählt: Nicht mehr Einzelressorts sollen entscheidend sein, sondern die gesamten CO2-Einsparungen, daran gibt es Kritik.
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Nur das Gesamtergebnis zählt: Nicht mehr Einzelressorts sollen entscheidend sein, sondern die gesamten CO2-Einsparungen, daran gibt es Kritik.

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