Martin Hagen (FDP) spricht in der BR24 Wahlarena.
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Martin Hagen (FDP) spricht in der BR24 Wahlarena.

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#Faktenfuchs zu Tempolimit: Wie hoch wären die CO2-Einsparungen?

Martin Hagen, FDP-Spitzenkandidat, spricht in der BR24 Wahlarena darüber, wie viel CO2 Deutschland mit einem Tempolimit einsparen könnte. So eindeutig, wie er es darstellt, ist die Lage nicht.

Über dieses Thema berichtet: BR-Wahlarena am .

Dieser Text ist Teil des Faktenchecks der BR24 Wahlarena vom 27.09.2023 mit Martin Hagen (FDP) und erstmals am 28.09.2023 erschienen. Den Artikel finden Sie hier.

Die Wahlarena mit Martin Hagen können Sie hier in der Mediathek anschauen.

Tempolimit: Wie hoch wären die CO2-Einsparungen?

Die Behauptung:

Martin Hagen, FDP: "Es sind aber homöopathische Dosen, die wir da einsparen (mit einem Tempolimit, Anm. d. Red.)."

Zuschauer: "Fünf Prozent sind ein bisschen mehr wie eine homöopathische Dosis."

Hagen: "Die fünf Prozent sind auch nicht ganz richtig."

Der Kontext:

Martin Hagen wurde gefragt, warum er gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen sei. Daraufhin gab es eine Diskussion über den Nutzen für den Umweltschutz.

Richtig oder falsch?

Der genaue CO2-Anteil, den ein Tempolimit einsparen würde, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Das liegt vor allem daran, dass nicht klar ist, von welcher Höchstgeschwindigkeit Hagen und der Zuschauer ausgehen. Die genannten fünf Prozent finden sich in einer Berechnung des Umweltbundesamtes (UBA). Diese geht von einem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und von 80 km/h auf Bundes- und Landstraßen aus. Bei der Berechnung gibt es aber Einschränkungen und Annahmen, die zum Teil bereits kritisiert wurden.

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Die Fakten:

Die Höhe der Maximalgeschwindigkeit wirkt sich auf die CO2-Emissionen aus, bei maximal 100 km/h werden mehr Emissionen vermieden als bei Tempolimit 130. Es blieb unklar, von welcher Höhe Martin Hagen auf der einen Seite und der Zuschauer auf der anderen Seite ausgingen.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es nur eine aktuelle Untersuchung zu den Auswirkungen des Tempolimits gibt, nämlich Anfang des Jahres vom Umweltbundesamt (UBA).

In der Ankündigung des UBA werden "gut 5 Prozent" genannt, die ein Tempolimit an Emissionen im Straßenverkehr einsparen könne. Auf diesen Anteil kommen die UBA-Berechnungen allerdings mit einer Kombination aus Annahmen.

Es kommt darauf an, mit welchem Tempolimit man rechnet

So rechnet die Behörde etwa mit einer Kombination aus einem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und einem zusätzlichen Limit von 80 km/h auf "Außerortsstraßen", also Bundes- und Landstraßen. Die Grünen sowie die SPD forderten im Bundestagswahlkampf 2021 jeweils ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen.

Ohne das außerörtliche Tempolimit von 80 km/h gibt das UBA eine mögliche Einsparung von 4,2 Prozent an - bei einem allgemeinen Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen.

Das wäre laut UBA eine Einsparung von rund 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Diese Zahl liegt deutlich höher als die Berechnungen des UBA von 2020. Die damalige Berechnung des UBA kam lediglich auf mögliche Einsparungen von rund 2,6 Tonnen CO2-Äquivalent bei Tempolimit 120 km/h.

Die Differenz ist auch auf die unterschiedlichen Methoden und weitere Annahmen der beiden Berechnungen zurückzuführen. Die aktuelle UBA-Berechnung, die laut Behörde zwischen 2019 und 2023 durchgeführt wurde, bezieht sich auf Werte von 2018 und verwendet auch Untersuchungsdaten aus dem Jahr.

Die Berechnungen haben Einschränkungen

In die 6,7 Millionen Tonnen Einsparung sind auch sogenannte Nachfrage-Effekte und Routenwahl-Effekte eingerechnet. Bedeutet: Die Autoren gehen davon aus, dass als Nebeneffekt "vermehrt Strecken genutzt werden, die kürzer sind und langsamer befahren werden", und aufgrund längerer Reisezeiten stattdessen häufiger mit Bus oder Zug gefahren würde – was ebenfalls weniger Emissionen zur Folge hätte.

Ohne Einberechnung dieser Effekte lägen die Einsparungen laut UBA bei 2,9 Prozent der CO2-Emissionen im Straßenverkehr, was einem Minus von 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent entspricht.

Infolge der Veröffentlichung kritisierte die "Welt", dass die Daten aus 2018 zu alt seien. Das UBA berücksichtige dadurch die Auswirkungen der gestiegenen Benzin- und Dieselpreise nicht - und auch den emissionsmindernden Effekt von E-Autos nicht. 2018 machten reine E-Autos laut Kraftfahrtbundesamt nur rund 0,1 Prozent des deutschen PKW-Bestands aus, mittlerweile sind es etwa zwei Prozent.

Auf viele der Einschränkungen weisen die UBA-Studienautoren auch selbst hin. So könnten etwa die Daten, die der UBA-Berechnung zugrunde liegen, ein verzerrtes Bild liefern, was Modelle der Fahrzeuge, als auch das Fahrverhalten angeht. Die Daten kommen vom Navigationsdienstleister Tomtom. So stellen die UBA-Autoren fest, es liege nahe, dass in den Daten ein "nicht unerheblicher Anteil von Lkw-Geschwindigkeitsdaten enthalten ist". (Seite 55)

Zudem geht die Berechnung davon aus, dass sich alle Verkehrsteilnehmer an ein allgemeines Tempolimit von 120 km/h halten würden (Seite 206). Ein Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen von 2016 ergab, dass bei einem Tempolimit von 120 km/h immer noch 39 Prozent der Autofahrer schneller als 120 km/h fahren. Aus den Daten des Berichts wird deutlich: Eine solche Geschwindigkeitsbegrenzung reduziert vor allem die Geschwindigkeiten über 140 km/h stark.

CO2-Einsparungen lassen sich nicht abschließend beurteilen

Der ADAC kritisiert, dass die Berechnung davon ausgeht, dass rund 65 Prozent der Pkw-Fahrleistung auf Autobahnstrecken ohne Tempolimit stattfinde. Aus Sicht des ADAC sei dieser Wert "sehr hoch". Der Automobilclub verweist auf die UBA-Berechnung von 2020, die von rund 55 Prozent ausging. Je höher dieser Wert, desto größer ist der berechnete Nutzen eines Tempolimits von 120 km/h.

Da es für Deutschland jedoch keine anderen aktuellen Berechnungen als die des UBA gibt, lässt sich die Frage nach dem Anteil der CO2-Einsparung nicht anhand weiterer Quellen beurteilen.

  • Mehr zum Tempolimit und Behauptungen rund um Verkehrstote können Sie in diesem Faktenfuchs-Artikel nachlesen. Bitte beachten Sie: Diese Recherche bildet den Stand von 2021 ab und befasst sich nicht mit den neueren Berechnungen des UBA.

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