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Bildrechte: picture alliance/dpa/Belga | James Arthur Gekiere

Intelligente Stromzähler können helfen den Stromverbrauch und damit indirekt auch den CO2-Ausstoß zu senken.

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Wie Digitalisierung beim Erreichen der Klimaziele helfen kann

Deutschland muss bis 2030 noch 308 Millionen Tonnen CO₂ einsparen, um seine Klimaziele zu erreichen. Knapp ein Viertel davon könne durch eine schnellere Digitalisierung eingespart werden, sagt der Branchenverband Bitkom – vor allem im Energiesektor.

Eine beschleunigte Digitalisierung kann in Deutschland bis 2030 zu einer Einsparung von 73 Millionen Tonnen CO₂ führen. Das geht aus der Studie "Klimaeffekte der Digitalisierung" hervor, die die Unternehmensberatung Accenture im Auftrag der Bitkom, dem Branchenverband der digitalen Wirtschaft, angefertigt hat.

Deutschland muss CO₂-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent senken

Die Einsparung von 73 Millionen Tonnen CO₂-Emission wäre etwa ein Viertel der gesamten Menge von 308 Millionen Tonnen, die die Bundesrepublik bis dahin noch einsparen muss, um ihr selbst gestecktes Klimaziel zu erreichen. Das deutsche Klimaschutzgesetz sieht vor, die CO₂-Emissionen von 1.200 Tonnen im Jahr 1990 bis 2030 um 65 Prozent auf dann 438 Millionen Tonnen zu reduzieren. Bis 2045 soll Deutschland komplett klimaneutral werden - fünf Jahre früher als die EU.

Bitkom-Vizepräsidentin Christina Raab sagte bei der Vorstellung der Studie: "Mit der Digitalisierung besitzen wir einen starken Hebel, um die CO₂-Emissionen deutlich zu senken und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Je ambitionierter der Einsatz digitaler Technologien vorangetrieben wird, desto größer sind die Einsparungen."

Intelligente Stromnetze könnten den größten Beitrag zum Energiesparen leisten

Den größten Beitrag zur CO₂-Einsparung könnte laut der Studie der Energiesektor liefern. Hier ließen sich der Studie zufolge bis 2030 bis zu 26,4 Millionen Tonnen CO₂ einsparen – bei einer beschleunigten Digitalisierung. Vor allem durch Smart Grids, also intelligente Stromnetze, in denen Stromerzeugung und -verbrauch präzise gesteuert werden können. Smart Grids nutzen Sensoren, Smart Meter und Echtzeit-Datenverarbeitung, um Angebot und Nachfrage nach Energie dynamisch auszugleichen.

Hohes Einsparpotenzial liege aber auch in der smarten Produktion erneuerbarer Energien. Mithilfe digitaler Technologien könne die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen zuverlässiger und effizienter werden, so Raab. So können etwa bei Solaranlagen die Paneele je nach Sonneneinstrahlung durch den Einsatz intelligenter Steuerungssysteme und Algorithmen optimal ausgerichtet und geneigt werden. Einsparpotenziale durch Digitalisierung gebe es aber auch in den vier weiteren Sektoren Gebäude, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft – in dieser Reihenfolge.

Bitkom plädiert für schnellere Digitalisierung

Am größten sind die Einsparpotenziale dem Bitkom zufolge durch eine beschleunigte Digitalisierung in diesen fünf Sektoren. Beschleunigte Digitalisierung heißt: Digitale Technologien werden stärker eingesetzt, sodass sie den jeweiligen Markt mehr durchdringen. Als Vorbild gelten Länder, die beim Einsatz einer oder mehrerer Technologien führend sind. Der Bitkom habe überprüft, inwiefern solche Technologien auf Deutschland übertragbar sind.

Als Best-Practice-Beispiel nennt Raab das gezielte Ausbringen von Dünger in den USA: "Mithilfe von Sensorik und Satellitendaten werden die landwirtschaftlichen Flächen genau so mit Dünger versorgt, wie es für ein optimales Ergebnis erforderlich ist, während in Deutschland noch viel mehr Streuverluste zu verzeichnen sind."

Eine Technologie, die für die größten CO₂-Einsparungen sorgen könnte, gebe es dabei nicht. "Es ist nicht möglich, die eine Technologie ohne die andere zu bewerten, zum Beispiel KI ohne Sensorik", erläuterte Raab. Es komme auf das Zusammenspiel an.

Auch digitale Technologien hinterlassen einen CO₂-Fußabdruck

Der Bitkom ist sich bewusst, dass auch die Verwendung von digitalen Technologien selbst einen CO₂-Fußabdruck erzeugt. Dieser Fußabdruck sei in der Kalkulation bereits berücksichtigt. Das gilt Raab zufolge auch für die zunehmende Produktion von Elektroautos, die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren nach und nach ablösen sollen. Damit es zu CO₂-Einspareffekten komme, müsse der Strom für E-Autos aber CO₂-neutral erfolgen.

Allerdings ist in den drei Bitkom-Szenarien der Einsatz von generativer KI wie ChatGPT nicht berücksichtigt. Der Betrieb solcher Systeme gilt als sehr stromintensiv, eine US-Analysefirma schätzt die Kosten für den Betrieb von ChatGPT auf etwa 700.000 Dollar pro Tag.

Bitkom ist die Interessensvertretung der Digitalbranche

Bei der Interpretation von solchen Studien sollte man bedenken, dass ein Branchenverband wie der Bitkom immer auch ein Eigeninteresse verfolgt. Denn seine mehr als 2.000 Mitglieder - Unternehmen, die ihr Geld mit digitalen Dienstleistungen oder Produkten verdienen - würden von einer stärkeren Digitalisierung profitieren. Es überrascht daher nicht, dass eine solche Studie die positiven Auswirkungen der Digitalisierung auf das Klima in den Vordergrund stellt und die negativen eher am Rande erwähnt. Dass die Digitalisierung einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, ist aber prinzipiell unstrittig, auch andere wissenschaftliche Untersuchungen sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Verbraucher sollen Smart-Home-Technologien nutzen

Nach Ansicht des Bitkom können sowohl Wirtschaft, Politik als auch Verbrauchende ihren Beitrag leisten, durch Digitalisierung CO₂ einzusparen.

  • Unternehmen sollten eine Digitalstrategie entwickeln und mit ihrer Klima- und Umweltstrategie verzahnen. Ihren CO₂-Fußabdruck könnten sie durch den Einsatz von standardmäßigen Videokonferenzen, digitalen Zwillingen und ein digitalisiertes Gebäude- und Energiemanagement reduzieren.
  • Von der Politik wünscht sich der Bitkom Förderprogramme und steuerliche Anreize, um Unternehmen bei ihren Digitalinvestitionen zu unterstützen, zum Beispiel "echte Superabschreibungen" auf Digitalinvestitionen. Zudem sei eine Digitalisierung der Verwaltung mit vereinfachten und beschleunigten Prozessen notwendig.
  • Verbraucherinnen und Verbrauchern empfiehlt der Verband die Nutzung von Smart-Home-Technologien, um die Energieeffizienz zu steigern, zum Beispiel smarte Heizkörperthermostate.

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