Die Angeklagten mit ihren Verteidigern, im Hintergrund Justizbeamte.
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Die Angeklagten mit ihren Verteidigern im Gerichtssaal, im Hintergrund Justizbeamte.

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Mord-Prozess ohne Leiche: Eine Spurensuche im Fall Alexandra R.

Am dritten Verhandlungstag im Fall "Alexandra R." hat der Lebensgefährte der mutmaßlich getöteten Frau als Zeuge ausgesagt. Dabei erhob er schwere Vorwürfe gegen den Angeklagten Dejan B. Im Video: eine Spurensuche zum Mordprozess ohne Leiche.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Am dritten Prozesstag hat der Lebensgefährte der mutmaßlich getöteten Alexandra R. vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth ausgesagt. Demnach lernte der frühere Mathelehrer Bastian R. seine spätere Partnerin bereits 2017/2018 über Immobiliengeschäfte kennen. "Und dafür bin ich sehr dankbar", beginnt seine Aussage.

Ein Mord ohne Leiche - was bedeutet das für die Ermittler und den Prozess? BR24 hat sich auf die Spurensuche im Fall Alexandra R. begeben. Die Spurensuche skizziert den Tag ihres Verschwindens, wie ihn die Ermittler sehen und gibt exklusive Einblicke in den Fall. Zu sehen im Video über diesem Artikel.

Vorwurf: Krumme Geschäfte

Was das Geschäftliche anging, da sei vor allem der Angeklagte Dejan B. federführend gewesen, sagte der Lebensgefährte am Montagnachmittag vor Gericht. Dejan B. habe die leitende Bankangestellte jahrelang ausgenutzt, um seine Immobiliengeschäfte zu finanzieren. Gewinne habe Dejan B. abgeschöpft, Alexandra R. habe immer nur bezahlt. Zum Teil sei es um Steuerbetrug beim Verkauf von Immobilien gegangen. Die 39-Jährige habe keinen Einblick in die krummen Geschäfte ihres damaligen Partners gehabt, mit dem sie über Jahre hinweg eine On-Off-Beziehung führte.

Schnell Gefühle entwickelt

Als Alexandra R. ihn Ende März 2022 nach der endgültigen Trennung von Dejan B. kontaktierte und um Hilfe bat, habe Bastian R. ihr helfen wollen. Zunächst sei alles rein geschäftlich gewesen. Als Alexandra R. ihm bereits im April via Whatsapp-Nachricht gestand, dass sie Gefühle für ihn entwickelt habe, sei er erst einmal "sprachlos" gewesen.

Die beiden hätten sich in der Folge intensiver kennengelernt, seien sich schnell näher gekommen. "Ich habe in dieser Zeit unfassbare Gefühle für Alex entwickelt." Alexandra R. sei ein "ganz ganz lieber Mensch" gewesen, die "liebevollste und beste Mutter, die sich ein Kind wünschen kann."

Zwei Schwangerschaften

Mit ihrem Ex sei Alexandra R. zum damaligen Zeitpunkt schon lange nicht mehr intim gewesen, berichtet Bastian R.. Entsprechend habe er keinen Zweifel daran, der Vater des Kindes zu sein, mit dem die 39-Jährige im achten Monat schwanger war, als sie im Dezember 2022 verschwand. Vor Gericht trägt der mutmaßliche Kindsvater ein T-Shirt, das mit einem Ultraschallbild bedruckt ist. "Das ist alles, was mir von meinem Kind noch bleibt", sagte er vor Gericht.

Gleichzeitig sei seine Ex-Partnerin zur selben Zeit von ihm schwanger gewesen wie Alexandra R.. Eine Nachricht, die seine neue Lebensgefährtin "entspannt" aufgefasst habe. Sie habe Bastian R. lediglich gebeten, Verantwortung für das Kind mit der anderen Frau zu übernehmen. Diesem Wunsch komme er nach, sagte er.

Vermisste wollte reinen Tisch machen

Mit den Immobilien-Geschäften ihres Ex-Partners wollte Alexandra R. laut Bastian R. nichts mehr zu tun haben, sie wollte zahlreiche Objekte loswerden. Außerdem habe sie einen Anwalt und einen Steuerberater konsultiert, um "reinen Tisch zu machen". Am 15. Dezember 2022 hätte diesbezüglich ein wichtiger Gerichtstermin stattfinden sollen, um rechtlich gegen eine Zahlungsaufforderung in sechsstelliger Höhe von Dejan B. vorzugehen.

Dieser soll Alexandra R. laut Staatsanwaltschaft noch vor diesem Termin gemeinsam mit seinem einstigen Geschäftspartner Ugur T. am 09. Dezember 2022 entführt und getötet haben. "Der schlimmste Tag in meinem Leben", so Bastian R. in seiner Aussage. Dass seine Partnerin ihr Pflegekind nicht aus der Kita abgeholt hatte, sei ihm zwar seltsam vorgekommen. Zunächst sei er aber von einem Missverständnis mit dem Kindsvater, Alexandra R.s Ex-Mann, ausgegangen.

Verdächtige SMS machte Lebensgefährten misstrauisch

Dann habe er aber eine Nachricht, vermeintlich von Alexandra R., erhalten. "Nie im Leben ist die Nachricht von der Alex", habe er sich da schon gedacht. "Das klingt vielmehr nach Dejan." Auch weitere Personen aus dem näheren Umfeld hätten zweifelhafte Nachrichten erhalten, weshalb Bastian R. umgehend zur Polizei gegangen sei. Er habe sofort den Verdacht gehabt, Dejan B. hätte Alexandra R. entführt. "Ich war komplett am Ende." Immer wieder sagt er: "Das war alles so hektisch, das war alles so chaotisch."

Seit diesem Tag ist der ehemalige Mathelehrer laut eigener Aussage krankgeschrieben. Er leide zum Teil unter Panikattacken, habe Angstzustände. Das Pflegekind von Alexandra R. befinde sich derzeit in seiner Obhut und der seiner Eltern. "Das ist das Letzte, was ich für die Alex noch tun kann: Mich um ihr Kind zu kümmern, denn das ist ihr Kind", sagt er unter Tränen. Das Kind schreie nachts nach seiner Mama, "sie ist total auf die Alex fixiert", so Bastian R.: "Biologie ist da egal, die Alex ist ihre Mama." Aktuell befinde man sich in Diskussionen mit dem Jugendamt, wie es mit dem Pflegekind von Alexandra R. weitergehen soll. Bastian R. und seine Familie wollen sich weiter um das Kind kümmern.

Sozialpädagogin: Alexandra R. hatte Todesangst

Bereits am Vormittag hatte eine Mitarbeiterin des Schwabacher Frauenhauses ausgesagt, in dem Alexandra R. im März 2022 gemeinsam mit ihrem Pflegekind vorübergehend Schutz suchte. Ihre Angst vor Dejan B. sei damals "massivst spürbar" gewesen, sagte die Sozialpädagogin. Die ersten Tage habe Alexandra R. das Frauenhaus nicht verlassen, habe extra ihr Auto in Nürnberg-Katzwang zurückgelassen, um ihrem Ex-Lebensgefährten keinerlei Hinweise auf ihren Aufenthaltsort zu geben.

Die Frauenhaus-Mitarbeiterin beschreibt Alexandra R. in ihrer Zeugenaussage als eine auffällig liebevolle Pflegemutter, die große Angst vor Dejan B. gehabt habe. Immer wieder sei Geld ein Streitthema gewesen. Laut der Sozialpädagogin habe Alexandra R. ihrem Ex-Partner zugetraut, dass er sie umbringt. Deswegen kümmerte sie sich um ein Kontaktverbot, ließ die Schlösser in ihrer Wohnung austauschen, ehe sie nach Hause zurückkehrte. Auch die Sorge, ihr Ex könnte das Pflegekind entführen und ins Ausland verschleppen, sei enorm gewesen. Damit habe Dejan B., wenn es zu Streitigkeiten kam, immer wieder gedroht.

Angeklagter hatte jahrelang Zugriff auf das Konto der Vermissten

Das bestätigt auch ein Polizeibeamter in seiner Zeugenaussage vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Bei ihm habe Alexandra R. im Frühjahr 2022 Anzeige gegen Dejan B. erstattet. Immer wieder sei die Frau bei ihren Schilderungen in Tränen ausgebrochen. Sie habe sich große Sorgen um die eigene Sicherheit, vor allem aber um die der gemeinsamen Pflegetochter gemacht.

Dejan B. habe ihr immer wieder mit Horror-Szenarien gedroht, würde sie ihm nicht wieder Zugang zu ihrem Konto geben, berichtet ein weiterer Beamter. Demnach habe Dejan B. das Konto seiner damaligen Partnerin jahrelang für diverse Geschäfte genutzt, bei denen es nicht immer mit rechten Dingen zugegangen sein soll. So sollen unter anderem mehrere Hunderttausend Euro für die Renovierungen von Immobilien von Alexandra R. abgebucht worden sein, die aber nie durchgeführt wurden. Das Geld soll bei Unternehmen gelandet sein, an denen Dejan B. zwar nicht offiziell beteiligt war, im Hintergrund aber doch die Strippen gezogen haben soll.

Bei einer dieser Firmen agierte der Mitangeklagte Ugur T. als Geschäftsführer. Diesen bezeichnete der ehemalige Lebensgefährte von Alexandra R. als Strohmann und Handlanger von Dejan B.

Anklage geht von Mord aus

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth geht davon aus, dass Alexandra R. von ihrem früheren Lebensgefährten und dessen Geschäftspartner ermordet wurde. Die beiden Männer sollen die zum damaligen Zeitpunkt hochschwangere Frau entführt und anschließend getötet haben. Der Vorwurf: Geiselnahme und Mord in Tateinheit mit gemeinschaftlichem Schwangerschaftsabbruch in einem besonders schweren Fall.

Ein Urteil soll Ende Juli fallen. Von Alexandra R. oder ihrer Leiche fehlt nach wie vor jede Spur.

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